Im Rückspiegel: Bundesliga-Interview

FM Berthold Bartsch

Was man oft beim Stöbern noch so alles findet. Beispielsweise ein Interview, das die Schach-Zeitschrift KARL mit unserem damaligen Vorsitzenden Berthold Bartsch geführt hat. Wir waren zu diesem Zeitpunkt (2001/2002) gerade in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Manches scheint auch nach vielen Jahren noch ungeahnt aktuell zu sein. Den Wortlaut möchte ich Euch nicht vorenthalten:

„Sie sind…

1. Vorsitzender, Mannschaftsführer und Spieler.

Freuen Sie sich auf die kommende Saison?

Ja. Es ist für uns interessant, dort zu spielen, auch wenn wir eine andere Philosophie haben, als die meisten anderen Vereine. Unsere Spieler sind in den Verein hineingewachsen und spielen schon seit Jahren bei uns. Die 1. Mannschaft ist ein Spiegelbild des Vereins und kein aufgepfropfter Fremdkörper ohne Bezug zum Verein.

Woher kommt die Motivation für Ihr Engagement?

Forchheim ist mein Heimatverein. Die Motivation kommt einfach durch die enge Verbundenheit mit dem Verein und seinen Mitgliedern.

Was macht die Bundesliga für Sie attraktiv?

Aus unserer Sicht ist es natürlich das Aufeinandertreffen mit den starken Mannschaften, vor allem für unsere jüngeren Spieler, die sonst keine Chance haben, so geballt gegen so gute Leute zu spielen.

Welche Außenwirkung hat die Bundesliga, wie wird Sie von Ausland wahrgenommen?

Ich denke, dadurch dass die meisten Spieler in verschiedenen Ligen gleichzeitig spielen, wird sie kaum über die Grenzen gesehen. Die meisten Spieler kann man im Ausland auch in der eigenen Liga sehen.

Wie wichtig ist die Bundesliga für das deutsche Schach?

So wie die Organisation heute ist: wenig. Das bezieht auch die Außenwirkung mit ein. Im Vergleich mit anderen Sportarten kommt sehr wenig an die Öffentlichkeit rüber. Damit schließt sich der Kreis: nichts in den Medien – keine Sponsoren.

Konservativ gerechnet braucht jede Bundesligamannschaft im Schnitt pro Saison einen Etat von ca. 50.000 Euro. Das macht bei 16 Mannschaften einen Gesamtaufwand von ca. 800.000 Euro. Ist sie diese Summe wert? Welche Rolle spielen die Fixkosten, die bei etwa 35 Prozent liegen?

Der Aufwand ist für die Bundesliga in jetziger Organisationsform sowohl für die „Profimannschaften“ als auch für die „Amateurteams“ zu hoch. Mit dem Spagat, mit dem man den Interessen der Profispieler auf wenige Termine und den der Vereinen auf möglichst viele Heimspiele gerecht zu werden versucht, werden nur die Fixkosten unnötig hoch getrieben. In der jetzigen Form ist die Bundesliga die ausgegebene Summe nicht wert. Um die Fixkosten zu senken plädiere ich für eine vom DSB unabhängige Profiliga mit wenigen kompakten Terminen und beim DSB zur Rückkehr zu einer Amateurliga, wobei hier die höchste Liga auch durchaus zweigeteilt werden könnte (mit zusätzlicher Endrunde), um die Fixkosten zu senken.

Die einteilige deutsche Bundesliga hat seit ihrer Gründung das gleiche Format: 16 Mannschaften spielen jeder-gegen-jeder, der erste gewinnt, die letzten vier steigen ab. Organisiert wird die Bundesliga vom DSB, das notwendige Geld geben Sponsoren oder die Vereine, die auch für die Vermarktung und Präsentation der Liga zuständig sind. Zeit für einen Wechsel der Organisationsform?

Der Modus stammt noch aus dem Jahr 1980. Zwischenzeitlich ist viel passiert. Mit dem Anschluss der DDR wurde das Bundesgebiet größer, der eiserne Vorhang fiel, die EU wurde vorangetrieben mit verschiedenen Auswirkungen (z.B. Bosman-Urteil). Diesen Entwicklungen wird das nach wie vor beibehaltene Format nicht mehr gerecht. Die Zeit ist reif für eine vom DSB völlig losgelöste Profiliga, der DSB behält den bisherigen Spielbetrieb, in Teilen reformiert, als Amateurliga bei.

Das Problem sehe ich nach wie vor beim DSB, dessen Organisationsform viel zu statisch ist und der auch nicht bereit ist, richtige Reformen durchzusetzen. Und auch die Vereine sind im gewissen Sinn zu feige, Nägel mit Köpfen zu machen. Hinsichtlich der Vermarktung und Präsentation haben die Vereine mit großen Problemen zu kämpfen da eine Verknüpfung zwischen Schach und Medien überregional bisher praktisch nicht vorhanden war.

Der DSB hat anscheinend nie begriffen, wie wichtig eine Darstellung der Sportart Schach in den Medien ist und diesen Bereich jahrzehntelang sträflich vernachlässigt. Hier sind immer noch gewaltige Defizite vorhanden. Andere Sportarten haben es hier verstanden, durch gute Öffentlichkeits- und Pressearbeit konstant Aufmerksamkeit zu erhalten. Die WDR-Fernsehübertragungen sind auf die schlechtesten Sendetermine gelegt. Im Internet sehe ich die besten Möglichkeiten.

Was sind Ihre Zukunftsvisionen für die Bundesliga?

Trennung Profiliga/Amateurliga. Profiliga völlig unabhängig vom DSB, abgestimmt auf die Interessen der Profispieler, Amateurliga beim DSB abgestimmt auf die Interessen der Vereine. Profiliga mit knallharten Vorgaben bzw. Anforderungen (Lizenz) an die beteiligten bzw. interessierten Teams. Lizenznehmer können hier nicht nur Vereine sondern auch andere Organisationsformen sein. Jeder der Interesse hat kann sich einkaufen. Modus mit 3 bis 4 kompakten Veranstaltungsterminen im Jahr, angepasst an die Zahl der beteiligten Teams. Die Liga ist bezüglich Zulassung, Spielberechtigung, Mannschaftsstärke, Ausländerregelung völlig frei in ihrer Entscheidung.

Beim DSB: Rückkehr zu einer Amateurliga, wobei hier die höchste Liga auch durchaus zweigeteilt werden könnte (mit zusätzlicher Endrunde) um die Fixkosten zu senken. Ferner Rückführung auf eine Deutsche Meisterschaft (max. 2 zugelassene Ausländer). Vereinen und Spielern ist es erlaubt, gleichzeitig in beiden Strukturen mitzuspielen. Die Trennung in Profiliga und Amateurliga ermöglicht dann auch den Vereinen, klare Strukturen zu schaffen. Viele Vereine bewegen sich bezüglich Gemeinnützigkeit, Steuern und Sozialabgaben auf dünnem Eis.

Häufig hört man, dass zu viele Ausländer in der Bundesliga spielen. Dadurch ginge die Bindung der Durchschnittsspieler an die Vereine verloren und zudem würde der Nachwuchs der Chance beraubt, sich in der Bundesliga zu profilieren. Das deutsche Schach profitiere immer weniger von der Bundesliga. Besteht die Notwendigkeit, die Ausländerregelung in der Bundesliga zu ändern?

Mit der Trennung, in Profiliga und Amateurliga beim DSB, würde dem entgegengewirkt. In der Liga beim DSB mit maximal zwei Ausländern pro Mannschaft, wobei es dann egal sein sollte, ob sie aus der EU sind oder nicht, käme auch der deutsche Nachwuchsspieler wieder eher zum Zuge. Mit der Option für die Besten, dann auch noch in der Profiliga mitzuwirken.

Sollten feste Jugendbretter für jedes Team vorgesehen werden und was halten Sie von der neu eingeführten Möglichkeit, Jugendbretter zu melden?

Die Mannschaft sollte eine Auswahl der besten Spieler des Vereins sein, ohne Einschränkung für schwächere Gruppen, die ja ihren eigenen Spielbetrieb haben. Es gibt gesonderte Jugend-, Damen-, Schüler- und Senioren-Mannschaftsmeisterschaften. Bei festen Jugendbrettern könnten mit gleichen Recht dann auch Damen- , Schüler- oder Seniorenbretter gefordert werden.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Spieler Ihre Mannschaft aus? Spielt Teamgeist in der Bundesliga eine Rolle?

Vereinsintegration ist für uns ein wesentlicher Faktor. Der überwiegende Teil unserer Spieler nimmt an der Vereinsmeisterschaft teil. Dadurch ist unser Teamgeist auch sehr gut, und ich denke, er spielt eine große Rolle – einen halben Zähler pro Spiel.

Oft werden die geringen Zuschauerzahlen und die mangelnde Medienpräsenz der Bundesliga beklagt. Die Bundesliga betreibe zu wenig Marketing. Hätten Sie Vorschläge zur Verbesserung der Präsentation der Bundesliga?

In der jetzigen Form der Liga ist es sehr schwer, hier eine Plattform zu entwickeln. Nachdem der DSB bisher versagt hat, tragen die Vereine die ganze Verantwortung, Schach ins breitere Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Wir machen viel Pressearbeit in zwei Tageszeitungen. Für unser Heimspiel erwarten wir zwischen 250 und 300 Zuschauer.

Winfried M. Klimek, der Vorstandvorsitzende der galaxis technology ag, traut der Bundesliga mit einer ansprechenden Technik und dem entsprechenden Marketing via Internet pro Kampf Zuschauerzahlen von 400.000 zu. Wie sehen Sie das?

Halte ich für übertrieben. Aber man könnte schon viele erreichen, wenn es gut präsentiert ist. Auf jeden Fall muss man alle Partien eines Kampfes gleichzeitig sehen und verfolgen können.

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die Bundesliga werde zunehmend seelenlos, die Bindung der Fans und Spieler an die Vereine gehe verloren. Wie sehen Sie das?

Unsere Mannschaft ist voll integriert. Die Erste ist Ausdruck unseres Vereins und wird auch von den Mitgliedern als solcher begriffen. Die 1. Mannschaft hat volle Akzeptanz.

Die drei herausragendsten Bundesliga-Spieler?

Waganjan wegen seiner Topergebnisse und seiner permanenten Einsatzfähigkeit. Ansonsten kann ich keinen nennen. Leute wie Karpow und Spasski halte ich nur für Momentaufnahmen, die ohne breitere Wirkung blieben. Für mich ist die Dauer, die ein Spieler kontinuierlich bei einem Verein spielt, ein wesentlicher Faktor.

Und noch ein Tipp für die kommende Saison: Wer gewinnt dieses Jahr?

Lübeck vor Porz und Baden-Oos.

Und wer steigt ab?

Forchheim, Godesberg, Erfurt, Plauen haben wohl die schlechtesten Karten.

Was sind Ihre eigenen Ziele und Erwartungen?

Wir wollen die eine oder andere Überraschung schaffen und den Spielern und auch Zuschauern interessante Partien bieten. Neben der Außenwirkung in der Region erwarten wir uns auch eine Rückwirkung auf unsere Jugendarbeit.“