Da hat Jonny sich verrechnet

Kiebitze beim Computerduell

Nach zwei Titeln als Vize-Weltmeister im Schach 960 (Fischer-Random-Chess) musste sich Johannes Zwanzger mit seinem Schachprogramm „Jonny“ in diesem Jahr mit einem undankbaren 4. Platz begnügen. Herzlichen Dank für das Foto an Christian Bossert (Grenke Leasing). Jetzt auch mit den Partien. Aus Mainz berichtet Johannes:
Turnierseite
Jonny zum Kennenlernen
Jonny und Chess 960

„Heuer lief es für Jonny in Mainz alles andere als gut. Schon im Vorfeld war mir klar, dass es sehr schwer werden würde, denn diesmal waren nur vier Programme eingeladen und die Konkurrenz extrem stark: Rybka von Vasik Rajlich führt derzeit alle gängigen Computerranglisten mit deutlichem Vorsprung an, Shredder ist als Rekordcomputerweltmeister (und Sieger in Mainz 2006) auch immer für einen Titel gut, und Spike ist trotz
seines vergleichsweise zarten Alters schon ein richtig starkes Programm, dass 2005 die erste Auflage der Chess960-WM gewinnen konnte. Insofern bin ich auch weniger über das Ergebnis an sich enttäuscht, sondern über die Art und Weise, wie Jonny in einigen Partien gespielt hat. Der Turniermodus war der gleiche wie bei Anand & Co: Einer Vorrunde mit insgesamt sechs Partien pro Teilnehmer, in der jeder zweimal gegen jeden spielte, schloß sich das Finale an. Die beiden Erstplatzierten der Vorrunde spielten dort in vier Partien um Platz eins, der dritte und vierte um Platz drei, wobei das Ergebnis der Vorrunde in den Finals keine Bedeutung mehr hatte.

Die Auftaktrunde gegen Shredder war eine einzige Katastrophe: nach drei Zügen steht Schwarz wahrscheinlich auf Verlust, denn nach 3. … bxa4 hat Weiß eine Übermacht im Zentrum. Jonny fühlt sich dagegen noch eine lang ganz wohl, denn er erkennt nicht, dass der „Frei“-Bauer auf der a-Linie in dieser Stellung völlig wertlos ist. Auch die folgenden schwarzen Springermanöver sind ziemlich peinlich und nach 20 Zügen strecke ich, eigentlich schon zu spät, die Waffen.

Die zweite Partie gegen Rybka ist schon etwas besser, aber auch hier wird Jonny Opfer einer überhöhten Freibauernbewertung. Mit 12. e4? gibt er einen Bauern, um letztlich einen Freibauern auf der a-Linie zu erhalten, der dann auch problemlos bis a7 vorläuft – aber halt leider auch keinen Schritt weiter. Rybka dagegen verstärkt langsam ihre (ja,es handelt sich um ein weibliches Programm!) Stellung und kann problemlos den ganzen Punkt einstreichen.

In Runde 3 kommt Jonny zu seinem ersten halben Punkt, hat dabei gegen Spike allerdings Glück, dass der aus seinem im frühen Mittelspiel gewonnenen Mehrbauern nichts machen kann. Im Laufe der Partie kann Schwarz diesen zurückerobern und im Endspiel sogar noch leichte Gewinnambitionen hegen, aber nach der nicht unbedingt notwendigen Aufgabe des Läuferpaars im 50. Zug hat sich auch das erledigt.

Die vierte Runde ist die erste Partie, die mir einigermaßen gefällt: Nach 7. g4 herrscht Chaos auf dem Brett und die Computer sind in ihrem Element. Im 11. Zug gibt Jonny mit der Aussicht auf starke Freibauern im Zentrum die Qualität, die Stellung ist danach (zumindest mir) völlig unklar. Im 26. (bzw. 28.) Zug hätte Shredder 26. … Txb2 27. Sxb2 Sexd4 spielen können, was ich am Brett als ziemlich gut für Schwarz einschätzte. Eine (oberflächliche) Analyse bestätigte diesen Eindruck allerdings nicht, auch Weiß besitzt einige Resourcen, die u.a. mit der Idee De1-b4 nebst Mattdrohung auf e7 zu tun haben. Ein bißchen schade, dass die Rechner in der spannenden Stellung im 43. Zug eine Stellungswiederholung forcieren, aber trotzdem eine schöne Partie.

In der fünften Partie gegen Rybka hat Jonny etwas Pech: nach sehr passiver weißer Eröffnungsbehandlung kann er einen Bauern erobern, für den Rybka meiner Meinung nach keine ausreichende Kompensation vorweisen kann. Mit dem Zug 24. … Lf7, der übrigens auch von Rybka erwartet und als gut für Schwarz bewertet wurde, erlaubt er Weiß 25. e4 und nach dem konsequenten Figurenopfer 25. … dxe4 wird die Lage völlig unübersichtlich, da die schwarzen Freibauern schwer einzuschätzen sind. 24. … Lg8 dagegen hätte auf jeden Fall einen stabilen Vorteil festgehalten. Ich bin nicht sicher, ob und ggf. wo Jonny danach etwas falsch gemacht hat, auf jeden Fall rennt er sich auch diesmal fest – 1:0 für Rybka.

Die sechste Runde gegen Spike spielt Jonny wieder wie ein Anfänger: früh wird die Dame entwickelt, ein paar mal übers Brett gezogen, um sie dann doch nur gegen ihre schwarze Kommilitonin abzutauschen. Auch danach fällt Weiß wenig ein und er läßt Schwarz einfach auf sich zurennen. Spike macht sich die Sache dann allerdings wieder schwer, indem er seinen starken Springer auf e4 abtauscht und die Bauernstruktur total festlegt, evtl. kann Weiß um 30. Zug einfach passiv abwarten und das Remis abklammern. Jonny rechnet sich aber nach 34. Txa4 sogar
einen Vorteil aus, weil er innerhalb seines Suchhorizonts nicht erkennt, dass seine beiden Figuren nach dem Gewinn des schwarzen a-Bauern total gelähmt sind und er langsam zusammengeschoben wird (vgl. die Stellung nach 43. … Lc2). Spike dagegen überblickt die Lage viel schneller und gewinnt die Partie absolut verdient.

Damit hatte Jonny nach der Vorrunde nur einen Punkt aus sechs Partien und war logischerweise Letzter. Auf Platz drei lag Spike mit 3.0/6, während Shredder und Rybka mit 4.0/6 die begehrten Plätze fürs große Finale erreichten.

Das Match um Platz drei gegen Spike hat Jonny dann leider auch verloren, immerhin konnte er mit der letzten Partie Ergebniskosmetik betreiben und seinen ersten und einzigen Sieg im Turnier mit dem schönen Figurenopfer 16. Lxa6! erzielen. Das Match endete damit letztendlich mit 2.5-1.5 für Spike, während Rybka Shredder mit 2.5 – 0.5 (hier wurde die vierte Partie gar nicht mehr gespielt) abfertigte.

Trotz des unerfreulichen Resultats hat mir das Turnier viel Spaß gemacht, es war sehr gut organisiert und ich kann jedem Schachspieler nur empfehlen, auch mal in Mainz teilzunehmen. Die Atmosphäre ist einfach toll und mir fällt kein anderes Turnier in Deutschland ein, bei dem einem so viele Weltklassespieler (Anand, Aronian, Bacrot, Grischuk, Iwantschuk, Kamsky, Kasimdshanov, Schirow…) über den Weg laufen wie hier. Aronian hat übrigens auch regelmäßig bei uns vorbeigeschaut und hatte sichtlich Spaß dabei, uns in seiner typisch ironischen Art auf die Schwächen der Programme aufmerksam zu machen.“

Jonny´s Partien zum Download

Zum online Nachspielen funktioniert (bei diesem komischen Schach) der Viewer leider noch nicht. Mit z.B. Chessbase Light können die Partien betrachtet werden. Das Programm Chessbase Light gibt es auf der Seite „chessbase.de“.