Walter Hüttl zum 75. Geburtstag

Walter Hüttl

Walter Hüttl ist zwar schon über 20 Jahre kein Mitglied unseres Vereines mehr. Der Pensionär war aber nicht nur Gründungsmitglied, sondern in schwierigen Zeiten (1982-1985) auch unser 1. Vorsitzender. Grund genug, ihm zu seinem 75. Geburtstag zu gratulieren und im Gespräch einen Blick zurück zu werfen auf fast 50 Jahre Schach in Forchheim.

Eigentlich stammst Du ja aus Saaz in Böhmen und kamst mit 12 Jahren nach Forchheim.

Wir waren Vertriebene, die es nach neun Monaten Internierung nach Forchheim verschlagen hatte. Schach spielen konnte ich aber schon als Vorschulkind in meiner Geburtsstadt. Mein Onkel hatte es mir beigebracht, weil ich es auch können wollte wie mein Cousin Gerold Jellinek. Wir waren aber Privatspieler und nicht in Vereinen organisiert. Das kam erst nach dem 2. Weltkrieg.

Ihr hattet in Forchheim ja einen ganz besonderen Schachlehrer…

Ja, das war der Meisterspieler Paul Heuäcker, der in Gößmannsberg in der Fränkischen Schweiz lebte. Auch er war aus dem Osten. Die US-Amerikaner boten der deutschen Jugend allerlei Freizeitaktivitäten an. Mit diesen GYA (German Youth Activities) sollten wir sanft umerzogen werden. Man musste dafür 14 Jahre alt sein und besuchte dann Schach, Tischtennis etc. Wir trafen uns im Parterre des Hotel Zettelmeier östlich des Bahnhofes. Auf dem Programm standen hauptsächlich Mittel- und Endspiel, denn Heuäcker war ja ein weithin beachteter Studienkomponist. Eröffnungen nahm er kaum zur Kenntnis. Von ihm habe ich mein Schachgefühl bekommen. Heuäcker brauchte nur wenige Minuten, um jede Schachaufgabe im Kopf zu lösen, auch die Fritz Giegold-Kopfnüsse. Ich erinnere mich noch, dass Kredel, Beck und Schubert neben mir saßen. Daneben spielte ich Partie um Partie mit Werner Duda, gegen den ich anfangs keine Chance hatte. Je länger ich durchhielt, desto spannender wurde es. Zuletzt konnte ich mich seiner erwehren. Eine harte Schule – aber erfolgreich. Nachdem das Hotel Zettelmeier seine Pforten geschlossen hatte, spielten wir ab 1950 im kleinen Rathaussaal. 1949 habe ich übrigens das GYA-Jugendturnier für mich entscheiden können.

Hast Du noch Erinnerungen an die damaligen Forchheimer Spitzenspieler?

Sehr gut erinnere ich mich noch an August Kollberg. Für mich ist sein Einsatz bis ins hohe Alter bis heute ein Vorbild. Er war unser Spitzenbrett, bis er bei einem Auswärtskampf beim Aussteigen vom Laster fiel. Wir fuhren damals zu Zehnt auf der Ladefläche von US-Army-Trucks zu unseren Gegnern. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Seither wollte Kollberg nicht mehr auswärts spielen. Natürlich denke ich auch an Gerhard Baier, der Mitte der 50-er Jahre unser stärkster Spieler war. Oder an Dr. Werner Schultheis, der selbst Lothar Schmid Paroli bieten konnte. Schultheis hatte da seine Spezial-Eröffnung mit d4-d5 und Lf4, in der Lothar Schmid jedes Mal schwer zu rudern hatte. Wir spielten damals ja in den Oberfränkischen Ligen und trafen ein ums andere Mal auf den SC 1868 Bamberg. Es waren stets harte Kämpfe, denn die Bamberger waren an den hinteren Brettern nicht unbedingt besser als wir besetzt.

Es gibt da eine schöne Anekdote über die Oberfränkische Jugend-Meisterschaft 1949 in Hof:

Das war damals mein erstes Turnier als Jugendspieler. Weil ich zu spät gemeldet wurde, durfte ich nur im Nebenturnier spielen, wo ich 50 Prozent holte. Da wir weder ein Auto noch Geld für die Bahn hatten, denn meine Eltern waren arme Leute, radelten die Forchheimer Teilnehmer (Kredel, Friedrich und ich) kurzerhand nach Hof. Ich war der Jüngste der Gruppe und kein geübter Radfahrer. Auch das Rad musste ich mir ausleihen, da ich kein eigenes hatte. Wir übernachtetem auf freiem Feld und wurden ein Stück des Weges bis Bad Berneck von einem LKW mitgenommen. Auf dem Rückweg nutzten wir die Gelegenheit, dass es autofreier Sonntag war und radelten auf der völlig leeren Autobahn. Wir kamen bis kurz vor Bayreuth, wo uns die Polizei auf die vorbeiführende Landstraße verwies.

Ein Jahr später war der Ausflug dann erfolgreicher…

Da hatte mich keiner auf der Rechnung, schließlich war das Vorjahresergebnis nicht erwähnenswert gewesen. Der Bamberger Finger galt in Kemnath als Favorit. Meine Unbekanntheit hielt aber nicht lange an, weil ich alle Partien bis auf drei Remisen für mich entschied. Am Ende hatten meine Gegner sogar mit besserer Stellung noch Angst zu verlieren und boten Unentschieden. Mit dem Titel in der Tasche ging es 1951 nach Retzstadt zur Bayerischen Meisterschaft. Dort waren Ralf Scheipl (Straubing) und der inzwischen verstorbene Karl-Hans Achatz (Augsburg) die Favoriten. Vorher gab es noch den Kampf mit dem VfB-Abteilungsleiter Kurt Schwarz. „Ich fahre nur dorthin, wenn die Schachabteilung mich finanziell unterstützt.“ Das hat dann auch funktioniert. Letztlich wurde ich Fünfter. Zeitgleich spielten auch noch die Erwachsenen um den Titel. Das brachte uns manche Analyse mit dem unvergesslichen Karl Gilg.

Gibt es außer Schach eigentlich noch andere Hobbies, für die Du Zeit hast?

Ich habe immer leidenschaftlich gern Tischtennis gespielt. In meiner Jugend bei Jahn Forchheim, später dann in meiner Münchner Zeit sogar in der Bayernliga beim FC Bayern München. Beruflich war ich zwar 1952 ins Finanzamt Bamberg gelangt, aber schon bald in die Landeshauptstadt zum Landesentschädigungsamt versetzt worden. Allerdings war im an der Platte nur Ersatz in der Spitzenmannschaft, weil das eine verschworene Truppe war. Da half es auch nicht, dass ich alle Spiele gewann. Schach habe ich in diesen Jahren (1956-1960) bis auf etwas Fernschach fast gar nicht mehr gespielt. 1969 gelang mir übrigens ein Unentschieden gegen den späteren Fernschach-Großmeister und Nationalspieler Dr. Heinz-Wilhelm Dünhaupt. Zudem war ich lange Zeit noch aktiver Kegler. Das hat aber beides inzwischen aufgehört.

Du hast ja das gesamte Nachkriegsschach in Forchheim miterlebt.

Ja, da gab es zum 90-jährigen Jubiläum des VfB Forchheim 1951 ein von Rudolf Müller organisiertes Lebendschach im Stadtpark, dann 1952 die Oberfränkischen Meisterschaften in der VfB-Halle unter Leitung August Kollbergs und natürlich das legendäre Schachcafé Huppmann in der Hauptstraße. Da war unser Mitglied Philipp der Wirt. Wechsel nach Mittelfranken 1959 habe ich schon nichts mehr mitbekommen. Da war ich dienstlich an anderer Stelle. Unvergessen bleibt die Simultan-Vorstellung Efim Bogoljubows 1949 in Forchheim. Ich errang ein ehrenvolles Unentschieden.

Wie kam es denn dazu, dass die Schachabteilung des VfB Forchheim geschlossen zur SpVgg Jahn Forchheim übertrat?

Wir brauchten dringend neues Spielmaterial. Das war eine Frage des Geldes. Der VfB Forchheim verweigerte uns das Geld für notwendiges neues Spielmaterial. Da bin ich zum alten Oberstleutnant Greif, dem Jahn-Vorsitzender gegangen und habe ihn gefragt. Er hat uns 700 Mark zugesagt, 350 Mark sofort, den Rest später. Er hat Wort gehalten, und wir haben gewechselt. Einzige Bedingung des alten Herrn: „Nur wenn Du den Abteilungsleiter machst.“ Und so löste ich meinen Cousin Gerold Jellinek ab, der beim VfB die Zügel in der Hand gehabt hatte.

Aber bei Jahn Forchheim lief anscheinend auch nicht alles rund, sonst hättet ihr nicht schon nach fünf Jahren den eigenständigen Schachclub Forchheim gegründet?

Wir hatten unser Spiellokal im Jahn-Stübchen. Da war es anfangs noch recht ruhig. Doch weil immer mehr Gäste im Laufe der Jahre hereinströmten, wurde es immer lauter. Zuletzt lief sogar die Musicbox. Wir suchten stets nach kurzfristigem Ersatz, und wurden immer öfter in Buckenhofen fündig. Schließlich war der Wechsel ins Gasthaus „Zur Sonne“ nur konsequent. Dort fand dann auch die Gründung statt, die es ohne meine Zustimmung wohl nie gegeben hätte. Das große Verdienst gebührt jedoch Helmut Bartsch, neben dem ich dann 2. Vorsitzender wurde. Ich bin heute noch stolz und glücklich, dass wir damals den Schritt gewagt haben.

Wie sah denn der Spielbetrieb zu Beginn aus?

Wir hatten eine gut funktionierende Jugendarbeit. Aus ihr sind große Talente wie Stefan Lang, sowie Benno und Klaus Barthelmann hervorgegangen. Schon im VfB Forchheim war die Einbindung des Nachwuchses, wie man an mir gesehen hat, und wie man an Berthold Bartsch sehen sollte, der später jahrelang am Spitzenbrett für Punkte gesorgt hat, ein wichtiger Baustein des Erfolges. Wir haben die jungen Spieler gefordert. Klaus Barthelmann durfte beispielsweise am Spitzenbrett der 2. Mannschaft antreten, bis er die Spielstärke für die 1. Mannschaft hatte. Entscheidend war auch, dass sich die beiden konkurrierenden Verbände Bayerischer Schachbund (BSB) und Schachverband Bayern (SVB) zusammengeschlossen haben. Und wir haben immer Wert auf Gemeinschaft gelegt. Auch das war unsere Stärke.

Nach deinem Umzug nach Buckenhof bei Erlangen 1972 hast Du noch 15 Jahre dem SC Forchheim als Mitglied angehört. Dein schachlicher Schwerpunkt hatte sich aber wohl bereits verschoben.

Das stimmt. Bis 1985 bin ich regelmäßig nach Forchheim gefahren, auch wegen meiner Mutter, die dort noch lebte. Aber irgendwann war das für mich zuviel Aufwand. Ich bin dann mit der BSGW Erlangen in Kontakt getreten, da ich nicht zum TB 1888 Erlangen wechseln wollte. Dort hat mir Günter Metje gesagt, ich solle noch etwas warten, denn es gebe Bestrebungen, einen neuen Schachverein zu gründen. Ich war dann aktiv dabei, als die Schachabteilung des TV 1848 Erlangen am 18. Juli 1985 aus der Taufe gehoben wurde. Übrigens zusammen mit dem Gründungsvorsitzenden Günter Metje, Wolfgang Rey, Peter Oswald, Gerd Dohmel, Uwe Wlaschny, Doris Herdegen, Dirk Vittinghoff, Werner Müller, Werner Mürmann, Josef Schubert, Michael Friedrich, Manfred Lohnert und Alfred Volkmer. Wir mussten in der Kreisliga 3 beginnen, damals die niedrigste Liga. Später war ich dann sogar 2. Abteilungsleiter und Spielleiter.

Schon sehr früh hast Du Dich im Kreis und Bezirk als Funktionär zur Verfügung gestellt, auch in höchsten Ämtern.

Ich war und bin der Meinung, dass ein Verein dort präsent sein muss. Sonst hat er keine Einflussmöglichkeiten und muss das ertragen, was dort beschlossen wird. Im Vorstand des Schachbezirkes Mittelfranken, ich war Schatzmeister (1976-1986), konnte ich z. B. durchsetzen, dass die Bezirksliga 1 mit elf Mannschaften startete – und dass wir mit dabei waren. Ich war dann bis 1987 immerhin drei Jahre Kreisvorsitzender von Mittelfranken-Nord und bin dann nur aus Solidarität mit dem damaligen Spielleiter Günter Metje zurückgetreten. Für meine Verdienste bekam ich 1987 die Goldene Ehrennadel des Schachbezirkes Mittelfranken verliehen. Im gleichen Jahr erlitt ich dann meinen Herzinfarkt.

Dein beruflicher Werdegang hat bis heute ja nicht aufgehört.

Ich bin als Steuerberater immer noch tätig, wenn auch nur in geringem Umfang. Das sind die Überbleibsel meiner Zeit als Beamter im Finanzamt Fürth (1960-1969) und im FA Erlangen (1969-1995). Danach wurde ich pensioniert. Übrigens war ich auch ein knappes Jahr beim FA Weißenburg (1956-1957). Da habe ich dann beim TSV Weißenburg die Clubmeisterschaft mitgespielt. Allerdings nicht ganz zu Ende. Zu Mannschaftseinsätzen kam es erst gar nicht.

Herzlichen Dank für das Gespräch.