Der Drau-Gänger – jetzt mit Bericht

FM Léon Mons

Im slowenischen Maribor (Marburg an der Drau) fand in der vergangenen Woche die Jugend-Weltmeisterschaft statt. Mit dabei im U18-Wettbewerb unser Bundesliga-Spieler FM Léon Mons, der als Setzlisten-Nr. 36 ein großartiges Turnier absolviert hat. Trotz Schlussrunden-Niederlage gelangen ihm 6,5 Punkte aus elf Runden. Auf Rang 26 hat er zehn Startränge gutgemacht und seine ELO-Zahl um rund 25 Zähler verbessert. Auch die Titel und Spielstärke seiner Gegnerschaft spricht für sich – und ihn. Wie ich gerade erfahren habe, hat Léon seine erste IM-Norm erzielt!!! Nach der Jugend-WM in Brasilien (dort holte er in der U16 noch 5,5 Zähler!) war es für Léon die zweite Teilnahme an einem solchen Großereignis. Die Vorbereitung musste Léon diesmal alleine schultern, weil sein Trainer GM Michael Prusikin, der für den Deutschen Schachbund vor Ort ist, nur die „Prinzen“, eine besondere Fördergruppe betreut. Deshalb ist Léons Abschneiden umso höher zu bewerten! Nun mit einem ausführlichen Bericht Léons.
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DSB-Nachbericht
TV Maribor (bei 12:55 kommt Léon)

Gegner von FM Léon Mons (ELO 2332):

1:0

Bakai Esenbek Uulu

(1984)

Kirgisien
remis

IM David Anton Guijarro

(2559)

Spanien
remis

Alexandr Predke

(2509)

Russland
1:0

Bojan Jovanovic

(2201)

Serbien
0:1

IM Maxime Lagarde

(2501)

Frankreich
1:0

Spyridon Naoum

(2184)

Griechenland
0:1

FM Jan-Krzystof Duda

(2456)

Polen
1:0

FM Ilyas Sodikov

(2256)

Kasachstan
1:0

IM Christophe Sochacki

(2402)

Frankreich
remis

IM Denis Kadic

(2459)

Bosnien-Herzegowina
0:1

IM Karen Grigoryan

(2508)

Armenien

Hier die Partien zum Nachspielen und als
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Hier der Bericht Léon Mons´:

„Die Jugend-Weltmeisterschaft wurde dieses Jahr vom 7.11.-19.11. in der zweitgrößten Stadt Sloweniens, in Maribor ausgetragen. Nachdem ich letztes Jahr noch in der U16 mitgespielt hatte, trat ich dieses Jahr in der U18 an, das Teilnehmerfeld war dementsprechend deutlich stärker besetzt. In dem 116-köpfigen Teilnehmerfeld war ich mit Startrang 36 (ELO 2332) weit entfernt von einer Top-20-Platzierung gesetzt, und nahm mir einfach vor, ein gutes Turnier zu spielen und meinen Setzlistenplatz zu verbessern. Die Reise ging am 7.11. früh morgens in Erlangen los, mit an Bord praktisch die gesamte bayerische Delegation. Am Tag zuvor lief in der Tagesschau noch ein Bericht über landesweite Überschwemmungen in Slowenien, aber die Lage hatte sich dort längst wieder beruhigt, und wir erreichten ohne Zwischenfälle unser ****-Hotel Piramida. Dieses machte zunächst einen guten Eindruck, aber das Essen war – vom Frühstück abgesehen – nur gerade so genießbar, sodass wir im Laufe des Turniers meistens in ein Restaurant in der Innenstadt essen gingen. Am Abend vor der ersten Runde machten wir (Michael, Christian Schramm, Thomas Walter, Hanna und ich) noch einen kleinen Sprachkurs, wir gingen nämlich ins Kino und sahen uns Skyfall mit slowenischen Untertiteln an.

Die Auslosung bescherte mir für die erste Runde Uulu Bakai Esenbek aus Kirgisistan (vor der Partie hatte ich nicht einmal gewusst, dass dieses Land überhaupt existiert) als Gegner, mit einer ELO von 1984 eine lösbare Aufgabe. Das Hotel, in dem wir spielten, war von unserem Hotel ca. zehn Kilometer entfernt, sodass wir die Reise dorthin mit einem Shuttlebus antraten. Dort angekommen ärgerte ich mich erstmal über die schlechten Spielbedingungen: Der Saal war zu klein und zu eng, es gab insgesamt nur zwei Toiletten, sodass man dort oft minutenlang Schlange stehen musste (nicht gerade angenehm, wenn man gerade in Zeitnot ist) und kostenloses Wasser für die Spieler gab es anfangs auch nicht. Die Eröffnungsfeier war aber wieder gut und relativ zügig, nach ein paar kurzen Reden ging es auch schon los. Vorher avancierte ich allerdings noch zum neuen slowenischen Fernsehstar, als ich vom lokalen Sender TV Maribor interviewt wurde. Zu meiner Partie gibt es eigentlich nicht viel zu berichten, mit Weiß gewann ich sehr souverän, nachdem ich durch ein Bauernopfer sehr starkes Druckspiel auf den weißen Felder erreicht hatte. In bereits schwieriger Stellung ließ sich mein Gegner seinen Springer fangen und gab sofort auf.

Die 2. Runde bescherte mir ein absolutes Traumlos: Ich durfte am Spitzenbrett erneut mit Weiß gegen einen der Titelfavoriten David Anton Guijarro aus Spanien (ELO 2559, Nr. 2 der Setzliste) antreten. Einen Schock gab es bereits vor der Runde, die Türsteher (ja, es gab Türsteher, die genau kontrollierten, wer ein und wer aus ging – das ganze erinnerte eher an eine geheime staatliche Einrichtung als an einen Spielsaal einer Schach-WM) weigerten sich hartnäckig mich hereinzulassen, weil ich mein Spielerschild im Hotel vergessen hatte, und außer Spielern niemand eingelassen werden durfte. Irgendwann konnten die Türsteher dann doch noch überzeugt werden, sodass ich es noch irgendwie in den Spielsaal schaffte. Der zweite kleine Schock kam dann am Brett, an den Spitzenbrettern der jeweiligen Altersklassen wurde nämlich mit speziellen handgeschnitzten Figuren gespielt, die man nicht leicht auseinanderhalten konnte. Als Spieler hatte ich mich schnell daran gewöhnt, aber bei Zuschauern sorgte dies für einige Verwirrung. Nun zur Partie: Ich behandelte die Eröffnung zu passiv und wurde von meinem Gegner sauber überspielt. Anstatt mich nun am Damenflügel zusammenzuschieben, wählte er den falschen Plan eines Königsflügelangriffs, sodass ich wieder zurück ins Spiel kommen konnte. Zwar ergriff mein Gegner mit einem Figurenopfer für drei verbundene Freibauern die Initiative, doch mit exakten Verteidigungszügen konnte ich mich in ein Endspiel mit Minusbauern, aber dafür aktiven Figuren retten, das ich letztlich souverän remis hielt. Sicherlich ein sehr glückliches Ergebnis für mich, aber Glück gehört halt manchmal auch dazu.

Nach dem Remis in Runde 2 ging ich natürlich sehr euphorisch in die nächste Partie, in der ich mit Schwarz gegen den Russen Alexandr Predke (ELO 2509, Nr.6 der Setzliste) erneut ein schweres Los erwischt hatte. In der Spanischen Eröffnung lief ich meinem Gegner genau in seine Vorbereitung (die ersten 17 Züge spielte er praktische a tempo), während ich unter Druck geriet und sehr viel Zeit verbrauchte. Ich fand jedoch jeweils die besten Verteidigungszüge und konnte meine Stellung mit Figurenabtäuschen wieder befreien. Mein Gegner wickelte schließlich in ein Endspiel ab, in dem er wegen seines Freibauern auf der d-Linie minimal besser stand, aber ich verteidigte mich gut und konnte ohne allzu große Mühe remis halten.

Nachdem ich nun zwei deutlich stärkere Gegner unbeschadet überstanden hatte, durfte ich „zur Belohnung“ auch mal wieder gegen einen schwächeren ran. In Runde 4 spielte ich nämlich mit Weiß gegen den übrigens sehr sympathischen Serben Bojan Jovanovic (ELO 2201, Nr. 64 der Setzliste). Zum ersten Mal in diesem Turnier klappte die Vorbereitung gut, sodass ich meinen Gegner in der Französischen Verteidigung bereits früh unter Druck setzen konnte. Vor die Wahl gestellt, eine passive Stellung verteidigen zu müssen oder mit einem Qualitätsopfer ein bisschen Gegenspiel zu erlangen, opferte mein Gegner die Qualität, bekam aber keine ausreichende Kompensation dafür. Nachdem ich die Qualität zurückopferte, um im Gegenzug einen starken Königsangriff zu starten, war die Partie bald vorbei. Mit 3/4 Punkten gegen starke Gegnerschaft lag ich vor der nun kommenden Doppelrunde sehr gut im Rennen um eine gute Platzierung.

In der Vormittagsrunde musste ich mit Schwarz gegen den Franzosen Maxime Lagarde (ELO 2501, Nr. 9 der Setzliste) antreten. Er wählte eine eigentlich relativ harmlose Variante in der Italienischen Eröffnung, sodass ich leicht ausgleichen konnte und nach der Eröffnung eine aktive Stellung hatte. Dann spielte ich aber zu passiv weiter, wodurch ich meinem Gegner die Chance gab, mit einem kleinen taktischen Trick meinen h-Bauern gegen seinen b-Bauern zu tauschen, wodurch meine Königsstellung erheblich geschwächt wurde. Daraufhin startete mein Gegner einen Königsangriff auf der f-Linie, dem ich wenig entgegenzusetzen hatte – eine ärgerliche Niederlage, nachdem ich so gut aus der Eröffnung gekommen war.

Zeit mich über diese dämliche Niederlage zu ärgern blieb aber nicht, denn am Nachmittag stand ja schon die nächste Partie an. Diese hatte ich mit Weiß gegen den Griechen Spyridon Naoum (ELO 2184, Nr. 68 der Setzliste) zu bestreiten. Auf dem Papier eine klare Sache sollte man meinen, allerdings war mein Gegner offensichtlich unterbewertet, denn er hatte gegen durchwegs deutlich stärkere Gegner bis dahin keine einzige Partie verloren, ich war also vorgewarnt. Die Partie lief dann aber doch relativ glatt: Mein Gegner spielte die Paulsen-Variante der Sizilianischen Verteidigung, in der ich mich relativ gut auskannte, unter anderem hatte ich sie schon letztes Jahr bei der WM auf dem Brett. Da ich Entwicklungsvorsprung hatte, wollte ich mit einem Bauernopfer die Stellung für meine Figuren öffnen. Aber auch nachdem mein Gegner das Opfer ablehnte, stand ich klar besser. Ich spielte in der Folge zwar etwas ungenau, konnte aber in ein Endspiel abwickeln, in dem ich wegen meine entfernten Freibauern auf der a-Linie immer noch sehr gut stand, allerdings hatte mein Gegner etwas Gegenspiel in Form eines Freibauern auf der d-Linie. Im Versuch den Wettlauf der Freibauern doch noch für sich zu entscheiden, opferte mein Gegner eine Figur, ich hatte jedoch keine Probleme, seine Drohungen abzuwehren, sodass mein Gegner kurz darauf aufgab. Insgesamt lag ich nach der ersten Turnierhälfte trotz meine etwas unglücklichen Niederlage in Runde 5 mit 4/6 Punkten sehr gut im Rennen.

Nach der anstrengenden Doppelrunde stand erst einmal der freie Tag an. Den Vormittag verbrachten wir mit dem nun fast schon traditionellen Fußballturnier, diesmal zusammen mit der Schweizer Delegation. Danach blieb noch jede Menge Zeit, sich zum Beispiel die Altstadt von Maribor anzusehen. Den Abend ließen wir noch gemütlich mit einer unserer vielen Kartenspielrunden ausklingen.
Am nächsten Tag stand jedoch wieder der übliche Turnieralltag an: Ich wurde mit Schwarz gegen Jan-Krzysztof Duda aus Polen (ELO 2456, Nr. 16 der Setzliste) gelost, ein sehr schwieriges Los, denn mein Gegner ist amtierender U14-Europameister und zählt mit seinen 14 Jahren und einer ELO-Zahl von bereits 2456 sicherlich zu den größten Talenten, die Europa momentan zu bieten hat. Die Eröffnung lief allerdings gut, obwohl meine Vorbereitung mal wieder schon nach dem 3. Zug hinfällig war, da mein Gegner erstmals die Schottische Eröffnung spielte, denn ich hatte keine Probleme mit Schwarz eine ausgeglichene und aktive Stellung zu erreichen. Ich opferte einen Bauern, weil ich richtig eingeschätzt hatte, dass ich durch meine aktiven Figuren mindestens ausreichende Kompensation bekommen würde. Allerdings spielte ich zu lasch weiter, infolge dessen ich gezwungen war, in ein Endspiel mit Minusbauern abzuwickeln. Dieses wäre bei korrekter Verteidigung immer noch remis gewesen, aber mit einer Serie schlechter Züge brach ich mir quasi selbst das Genick – eine vermeidbare Niederlage.

Durch diese Niederlage war ich erst einmal zurückgefallen, dafür bekam ich nun allerdings wieder einen nominell schwächeren Gegner, nämlich Ilyas Sodikov aus Kasachstan (ELO 2256, Nr. 52 der Setzliste). Mit Weiß verpasste ich in der Eröffnung eine gute Möglichkeit, meinen Gegner unter Druck zu setzen, sodass eine ausgeglichene Stellung entstand. Mein Gegner setzt jedoch ungenau fort, sodass ich in ein Endspiel abwickeln konnte, in dem ich aufgrund meiner aktiveren Figuren besser stand. In bereits kritischer Stellung stellte mein Gegner dann auch noch einzügig die Qualität ein, und gab auf.

Für die 9. Runde hatte ich ein sehr glückliches Los erwischt, mit dem Franzosen Christophe Sochacki (ELO 2402, Nr. 22 der Setzliste) hatte ich meinen dritten IM erwischt, sodass klar war, dass ich im Falle eines Sieges meine erste IM-Norm perfekt machen würde, es ging also um alles oder nichts. Mit Schwarz legte ich die Partie mit einem frühen Figurenopfer sehr scharf an. Das Opfer war zwar nicht völlig korrekt, aber mein Gegner fand sich am Brett in der extrem komplizierten Stellung nicht zurecht, sodass ich die Figur zurückgewinnen, und in ein total gewonnenes Schwerfigurenendspiel mit zwei Mehrbauern abwickeln konnte. Mit einem kleinen taktischen Trick konnte ich dann auch noch seine Dame gewinnen, und ihn somit zur Aufgabe zwingen. Über meine erste IM-Norm habe ich mich natürlich riesig gefreut, und am Abend wurde natürlich erstmal gefeiert.

Mit der IM-Norm bereits in der Tasche war natürlich jeglicher Druck weg, sodass ich eigentlich befreit aufspielen konnte. Mit zwei Siegen in den letzten beiden Runden hätte ich es sogar noch in die Top-10 schaffen können. Das ging aber leider gründlich daneben. In der 10. Runde ergriff ich als Schwarzer gegen Denis Kadric (ELO 2459, Nr. 15 der Setzliste) bereits in der Eröffnung die Initiative und konnte meinen Gegner am Königsflügel stark unter Druck setzen. In der Folge ließ ich einige gute Möglichkeiten aus, sodass mein Gegner sich noch in ein Endspiel retten konnte. Auch hier hatte ich eigentlich sehr gute Gewinnchancen, ich misshandelte die Stellung jedoch gründlich, sodass mir letztlich nur ein halber Punkt aus einer schon fast gewonnen geglaubten Partie blieb.

Die letzte Runde bescherte mir als Gegner einen alten Bekannten: Karen Grigoryan aus Armenien (ELO 2508, Nr. 7 der Setzliste), gegen den ich schon letztes Jahr bei der WM gespielt hatte. Damals hatte ich eine völlige Gewinnstellung noch zum Remis verdorben, dieses Jahr lief es auch nicht besser. Gegen die Caro-Kann-Verteidigung meines Gegners wählte ich eine scharfe Variante mit gegenseitigen Königsangriffen. Mein Angriff am Königsflügel schien mir chancenreich, aber 1-2 kleine Ungenauigkeiten meinerseits reichtem meinen Gegner, um mit präzisem Spiel meinem König am Damenflügel zu Leibe zu rücken. Unter großem Druck gelang es mir nicht, eine Verteidigung gegen seinen Angriff zu finden, und musste bald aufgeben.

Schließlich beendete ich das Turnier also mit 6,5 Punkten/11 Partien, was mir unter 116 Teilnehmern den 25. Rang einbrachte, gegenüber meiner Setzlistenplatzierung hatte ich also elf Plätze gutgemacht. Obwohl in manchen Partien wohl mehr für mich drin gewesen wäre, insbesondere natürlich in den letzten beiden Runden, bin ich mit meinem Abschneiden insgesamt sehr zufrieden, schließlich habe ich meine erste IM-Norm geholt und nach einigen insgesamt eher durchwachsenen Turnieren dieses Jahr endlich mal wieder auch ein paar ELO-Punkte dazugewonnen. Nächstes Jahr wird die Jugend-WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfinden, dort kann ich dann vielleicht endlich eine Top-10-Platzierung anpeilen.

Abschließend möchte ich mich herzlich bei all denjenigen bedanken, die mir durch ihre finanzielle Unterstützung meine erneute Teilnahme an der Jugend-WM ermöglicht haben, und natürlich auch bei allen, die mir von „zu Hause“ aus während des Turniers die Daumen gedrückt haben!“