Ali im Reich des Emirs – jetzt mit Bericht

FM Alexander Seyb

Als Fide-Meister mit ELO über 2400 nur die Nr. 109 der Setzliste zu sein, wo gibt es das schon. Unser Bundesliga-Spieler FM Alexander Seyb hat sich bisher, und auch bereits einige Großmeister, glänzend geschlagen. Beim Katar Open kämpfen noch bis Freitag 154 Topspieler, darunter immerhin 15 Spitzen-Großmeister mit ELO plus 2700, um rund 120.000 US-Dollar Preisgeld. Auch für Schach, und nicht nur für die Fußball-WM 2022, scheint in dem Wüsten-Emirat offensichtlich Geld vorhanden zu sein. Die Berichterstattung ist glänzend gelungen, schließlich werden nicht nur alle Partien live übertragen, sondern auch einige ausführlich kommentiert. Mit 4,5 Punkten und Rang 79 hat Ali ein Spitzenturnier gespielt und sich einen ELO-Zuwachs schwer verdient. Wie mir unser Ehrenvorsitzender FM Berthold Bartsch mitgeteilt hat, hat Ali bei einem ELO-Schnitt seiner Gegner von 2493 bereits vor der Schlussrunde die ersehnte erste IM-Norm erreicht. Herzlichen Glückwunsch! Alexander Seyb hat uns einen ausführlichen Bericht geschickt:
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Live-Übertragung (ab 13 Uhr)
Chessbase-Bericht

Gegner von FM Alexander Seyb (ELO 2412):

1:0

GM Andrey Vovk

(2640)

Ukraine
0:1

GM Mikhailo Oleksienko

(2620)

Ukraine
0:1

GM Eltaj Safarli

(2628)

Aserbaidschan
remis

IM Sameer Kathmale

(2267)

Indien
remis

WIM Lidia Tomashevskaya

(2210)

Russland
1:0

GM Aleksander Mista

(2616)

Polen
remis

WGM Wenjun Ju

(2582)

China
remis

GM Eric Hansen

(2577)

Kanada
remis

GM Ehsan Ghaem Maghami

(2559)

Iran

Hier der Bericht Alexander Seybs:

„Das Turnier in Katar (26.11 bis 4.12) war als stärkstes Open aller Zeiten angekündigt worden. Bei 56 Teilnehmern mit einer Elo größer 2600 und weit über 100 Titelträgern rechnete ich mir gute Chancen aus, nicht nur meine Elo-Zahl zu verbessern, sondern auch die lange ersehnte, erste IM-Norm endlich einzufahren. Ich war mit Markus Lammers (spielt bei unseren Zweitliga-Kollegen von Zugzwang München) bereits zwei Tage vorher angereist, um noch ein bisschen Katar zu erkunden. Das Land befindet sich im großen Aufbau, überall sind Baustellen und unzählige Arbeiter aus Indien und Nepal säumen die Straßen. Am Buffet hatten wir bald die ersten Topstars ausgemacht, denn auch Giri und Kramnik sollten sich in einem offenen Turnier versuchen, was bei Spielern dieser Kategorie normalerweise eine absolute Ausnahme darstellt.

In Runde 1 spielte ich mit Weiß gegen den ukrainischen GM Vovk. Da er immer Sizilianisch-Rauser spielt, konnte ich mich auf die entstehenden Strukturen gut vorbereiten. Da er ungenau spielte, kam ich schon mit Vorteil aus der Eröffnung heraus. In beidseitiger Zeitnot wuchs der Vorteil immer weiter an, auch wenn die Stellung voller taktischer Motive und daher am Brett schwer zu spielen war. Nach der Zeitnot hatten sich die Reihen gelichtet und ich verblieb in einem Turmendspiel mit Mehrbauern, den ich auch mehr oder weniger sicher verwerten konnte.

In Runde 2 wurde ich mit Schwarz gegen Vovks Freund und ukrainischen Landsmann GM Oleksienko gelost. Ich wählte Russisch, um eine solide Stellung zu erhalten. Als ich versuchte, das Spiel zu verwickeln, blockte er alle Versuche meinerseits ab und erreichte ein besseres Turmendspiel. Mit guter Technik ließ mir mein Gegner keine Chance, so dass ich eine Niederlage quittieren musste.

Runde 3 brachte mir mit Weiß GM Safarli aus Aserbaidschan. Er kannte sich im Najdorf-Sizilianer deutlich besser aus als ich, so dass die Stellung aufgrund der Aktivität seiner Figuren schon nach der Eröffnung für ihn deutlich leichter zu spielen war. Als ich bei knapper Zeit dachte, wieder etwas Gegenspiel zu haben, übersah ich ein taktisches Motiv, nach dem die Partie sofort verloren war.

In den Runden 4 und 5 spielte ich gegen Gegner von unteren Ende der Startrangliste. Da Beide aber immer noch eine Elo über 2200 aufwiesen und ich zudem nicht besonders gut spielte, kam ich jeweils nicht über ein Remis hinaus. Gegen den Inder Kathmale ging mir schon die Eröffnung völlig daneben. Als Höhepunkt einer beiderseits schwach gespielten Partie übersah ich am Ende einen an sich relativ leichten Gewinn. Meine Gegnerin in Runde 5 war die Russin Tomashevskaya, seit Mitte diesen Jahres Ehefrau von Super-GM Evgeny Tomashevsky. In der Spanischen Partie verpasste ich mehrere gute Fortsetzungen und geriet zwischenzeitlich leicht unter Druck. Am Ende dachte ich, wieder etwas die Oberhand zu gewinnen, doch meine Gegnerin wickelte in ein totremises Turmendspiel ab.

In Runde 6 gelang mir die wie ich finde beste Partie meines Turniers. Mit bisher 2 aus 5 Punkten schon etwas vom Normkurs abgekommen, wurde mir der polnische GM Mista zugelost. Ich spielte mit Schwarz Sizilianisch Najdorf und die Partie wurde von der Eröffnung weg sehr dynamisch. Mit Beginn der Zeitnotphase dachte ich, meinen Vorteil aus der Hand gegeben zu haben, doch der Computer sieht Schwarz nie in Gefahr. In beiderseitiger Zeitnot – ich war gerade noch der Meinung, kurz vor einer Niederlage zu stehen, konnte aber keine Gewinnvariante für meinen Gegner entdecken – ließ mein Kontrahent 6 seiner verbliebenen 7 Minuten ablaufen. In dieser Zeit realisierten wir beide, dass Weiß aufgrund seiner unsicheren Königsstellung die Niederlage nicht mehr verhindern konnte.

In Runde 7 wollte ich angesichts der plötzlich sehr guten Normchancen kein unnötiges Risiko eingehen. Da passte es nur zu gut, dass meine Gegnerin GM Ju aus China (Nr.5 der Frauen-Weltrangliste), die normalerweise für eine kompromisslose Spielweise bekannt ist, bei diesem Turnier völlig friedfertig eingestellt war. Nachdem sie schon die ersten sechs Partien remisiert hatte, wickelte ich in der Eröffnung in eine Isolani-Struktur ab, die ich praktisch nicht verlieren konnte. Da auch ich kein Risiko eingehen wollte, endete die Partie in einem remisen Endspiel.

In Runde 8 konnte ich gegen GM Hansen aus Kanada mit einem Remis die Norm bereits perfekt machen. Wieder entschied ich mich für Russisch, doch anders als in Runde 2 ging der Plan diesmal voll auf. Gegen diese total solide Eröffnung konnte mein Gegner, obwohl er zunächst Druck entwickelt hatte, kein Mittel finden. Nachdem er etwas unerklärlich (in der Analyse sagte er immer nur „i dont know why“) einen Bauern eingestellt hatte, bot er mir Remis an. Ich wollte nun nichts mehr anbrennen lassen, obwohl ich wohl einigermaßen risikolos auf Gewinn hätte spielen können.

In Runde 9 gegen die iranische Nr.1 Ghaem Maghami war die Luft etwas raus. Obwohl er sich in seiner eigenen Eröffnung nicht auskannte und einen Bauern für eigentlich nichts gab, konnte ich die Partie nicht zum Sieg führen. Hier zeigte sich deutlich, dass ich vor allem am Endspielstudium noch weiter arbeiten muss.

Für mich war die Norm die Krönung auf einem wirklich tollen Turnier. Die Veranstalter haben angekündigt, dieses Open von nun an jährlich ausrichten zu wollen. Bei einer Teilnahmebeschränkung auf Elo 2300+ ist das Niveau im gesamten Turnier unglaublich hoch, dazu kommt noch das angenehme Wetter (25-30 Grad Anfang Dezember): Ich überlege wirklich, nächstes Jahr wieder mitzuspielen. Wer erfahren will, wie sich Giri und Kramnik im Open geschlagen haben und wer sich letztlich das Preisgeld von 25.000 Dollar sichern konnte, dem empfehle ich den Kauf des neuen SCHACH – Heftes 1/2015 (erscheint am 23.12, pünktlich zu Weihnachten!).“