Gerade gelesen: Mit neun Jahren zur Schach-WM

Dominik Nöttling

Die Nordbayerischen Nachrichten bringen in ihrer heutigen Ausgabe ein Porträt unseres U10-Talentes Dominik Nöttling, der in diesem Monat zur Jugend-Schach-WM nach Georgien fährt. Ein ausführlicher Vorbericht zu diesem Turnier folgt demnächst an dieser Stelle.
Zum Artikel

Hier der ganze Text zum Nachlesen:

Mit neun Jahren zur Schach-WM
Dominik Nöttling ist ein Supertalent: Fast unfassbar für die eigene Familie

Irgendwo werden irgendwie immer mal Schachgenies geboren. Dominik ist vielleicht eins. Der Spieler des SC Forchheim ist erst neun Jahre alt, aber er hat schon die Einladung zur Jugend-Weltmeisterschaft in Georgien, die am 18. Oktober beginnt. Dort wird er bestimmt nicht gewinnen. Sein Ziel ist bescheiden: 5,5 von elf möglichen Punkten. Aber sein Kampfgeist ist so verblüffend, dass der bayerische Landestrainer Michael Prusikin, ein Großmeister, sagt: „Er ist eines der größten Nachwuchstalente, die ich seit meinem Aufenthalt in Deutschland kennen gelernt habe.“

FORCHHEIM/POTTENSTEIN — Dominik ist ein lustiger Junge, der gleich nach dem Interview zu seiner Schwester Lisa (11) rennt und Playstation spielt. Aber in einer Schachpartie mit mir am Wohnzimmertisch wird schlagartig deutlich, warum er bei den „Top 100“ der Neunjährigen des deutschen Schachclubs an erster Stelle steht. Und warum er im vorigen Jahr Oberfränkischer U 8-Schnellschach-Meister wurde, Hessischer U 8-Vizemeister, Deutscher U 8-Vizemeister, außerdem Sieger in über 30 Turnieren — mit entsprechend vielen Pokalen.

Bei diesem Schachspiel sieht mir Dominik nämlich zuerst lange und prüfend ins Gesicht, wer dieser Mann überhaupt ist. Dann — die Augen immer noch forschend — packt er entschieden einen Bauern zum ersten Zug und setzt ihn hart ab.

Diese kurze Bewegung verdeutlicht, was sein Vater Alois Nöttling vorher erzählt hat: Dominik ist Erwachsene als Gegner gewöhnt. Er hat eine so hohe Spielstärke, dass ihm oft Spieler gegenüber sitzen, die mittleres und gehobenes Niveau haben. „Die haben fürchterlich Respekt vor ihm.“

Das Kuriose ist bei Dominik, dass er keinen Großvater und keine Oma in der Verwandtschaft hat, die ihm irgendetwas hätten vererben können. Lediglich der Beruf seines Vaters zeigt etwas Sinn fürs Logische: Er ist Elektroingenieur und Informatiker.

Von daher hat Dominik eine starke Rechenbegabung. Beim „Hawik III-Test“ in der Schule sagte man ihm bei Mathe: „Statistisch nicht überbietbar.“ Entsprechend hoch ist sein IQ-Wert und entsprechend flott überspringt er bei Aufgaben in seiner vierten Klasse innere Rechenschritte — was ihn oft um die Eins bringt.

Aber Dominik lacht über diesen „Leichtsinn“, den sein Vater leise tadelt, wie er überhaupt den ganzen Schach-Rummel mit Fahrten bis nach Tschechien und Norddeutschland gut wegsteckt. Mit seinem Vater löst er unterwegs ein paar Aufgaben im Kopfrechnen, und vor Ort ist er nie verbissen: „Schach ist zwar Leistungssport“, sagt der Vater, „aber unser Domi betrachtet es mehr als Hobby.“

Dieses Hobby begann an einem 1. Mai vor drei Jahren, am Tag vor Dominiks sechstem Geburtstag. Da wünschte er sich von Mutter Gerda ein besonderes Geschenk: Er wollte Schach lernen. Dieses Spiel mit den Rittern und Königen, Pferden und Türmen sah er als ideales Schlachtfeld, es faszinierte ihn.

Zufällig hatte der Pottensteiner Schachclub an diesem Abend ein Training für die Jugend. Dominik kam, sah und siegte. Er war bald „das“ Talent von Oberfranken und sein Vater suchte ihm Trainer in Bindlach und Forchheim. Dort haben die Schachspieler eine Hochburg: Zweite Bundesliga.

Dominik wechselte zum SC Forchheim, nicht ohne einen Wermutstropfen. Denn sein Pottensteiner Jugendleiter war so enttäuscht, dass Dominik seitdem zu Hause nur noch bei den Erwachsenen spielen kann.

In Forchheim hat Dominik jetzt ein ganzes Bündel von Jobs. Er spielt in der ersten Mannschaft. In der Jugendliga U 20 hat er zusätzlich Brett vier und tritt damit in Bayern ganz oben an, in der Landesliga Nord. „Aber dieses Brett ist gleichwertig mit Brett drei!“, korrigiert er protestierend die väterlichen Angaben.

Weiter hat Dominik Brett eins (also den ersten Rang) in der sechsten Mannschaft der Erwachsenen, hat Brett zwei in der U 12 (unter zwölf Jahre) und das dritte Brett in der U 16. „Darum sind wir auch mehr als an jedem zweiten Wochenende unterwegs“, stöhnt der Vater.

Obwohl Dominik noch Schwimmen geht, Fußball spielt, Klavier und Gitarre lernt, nimmt er sich jeden Tag eine Stunde Zeit für Schachbücher. Dort löst er Aufgaben in „Taktik“ und „Endspiel“. Sein Vater, der längst mit seinen eigenen Kenntnissen kapituliert hat, schafft da „vielleicht eine von sechs Aufgaben“. Dominik löst fünf von sechs.

So stehen die Dinge. Mutter Gerda hat schon lange aufgegeben, obwohl Dominik enthüllt: „A weng kann sie’s, weil sie immer was abschaut.“ Nur Schwester Lisa hält ein bisschen mit, wenn sie nicht Reiten geht — live, nicht am Brett.

THOMAS KNAUBER