Good bye, Jonny – Abschlussbericht aus Japan

Johannes Zwanzger ist wieder in Sachen Computerschach unterwegs. Im japanischen Kanazawa nimmt er demnächst (23.09.-02.10.2010) mit seinem Programm „Jonny“ an der 18. Computer-Schach-Weltmeisterschaft teil. Wir berichten zeitnah und ausführlich mit Bildern, Partien und Berichten aus Sicht unseres Spitzenspielers. „Diesmal spielen wir gleich zwei Turniere gleichzeitig: Die „Haupt“-WM mit freier Hardware sowie die „Software“-WM, wo einheitliche, vom Sponsor gestellte Rechner benutzt werden.“ Herzlichen Dank an Johannes für diesen fernöstlichen Service. Johannes Zwanzger berichtet aus der Ferne:
Ergebnisse und Partien
Jonny zum Kennenlernen

Bericht zum 1. Tag:

„Ich werde es diese Woche leider nicht schaffen, ausführliche Berichte von der WM zu schicken, der Stress mit drei Runden pro Tag ist einfach zu groß. Deshalb hier nur ganz kurze Infos. Jonny spielt diesmal auf dem Cluster der Universität Bayreuth, wo er 100 Rechenknoten mit insgesamt 800 Kernen nutzt. Damit berechnet er im Durchschnitt etwa 800 Millionen Knoten pro Sekunde – das ist viermal mehr als Deep Blue bei seinem Sieg über Kasparov. Meinen Tests zufolge liegt die Spielstärke dieses Systems bei etwa 3200 Elo. Das klingt vielleicht nach viel, Favorit ist man damit in Kanazawa allerdings trotzdem nicht. Rybka und Rondo (eine verbesserte Version des Ex-Weltmeisters Zappa) laufen auch auf relativ großen Clustern und sind Jonny derzeit bei gleicher Hardware noch deutlich überlegen. Insgesamt ist für mich ein Platz auf dem Treppchen denke ich ein realistisches Ziel.

Die ersten beiden Partien heute in der Haupt-WM (bei der keinerlei Begrenzung an die Hardware gestellt wird) liefen insgesamt nur mittelprächtig: In der ersten Runde gelang ein insgesamt überzeugender Sieg, Jonny hat Pandix mit Schwarz klar überspielt und nur zwischendrin etwas Probleme gehabt, den Vorteil auch in einen Sieg umzumünzen. Laut Aussage des Programmierers wurde Pandix gegenüber dem Vorjahr klar verbessert (er sprach von mindestens 300 Elo), insofern war das also kein Punkt, der von vornherein eingeplant werden konnte. Pandix hat dann am Nachmittag auch relativ locker ein Remis gegen den mehrmaligen Weltmeister Shredder geschafft.

Gegen Rondo kam Jonny mit Weiß bereits kurz nach Verlassen des Eröffnungsbuches in ein totremises Turmendspiel, das er allerdings leider nach allen Regeln der Kunst misshandelt und deshalb letztlich zurecht verloren hat. Im der ersten Runde der sogenannten Software-WM, bei der alle Programme auf der gleichen Hardware (nämlich handelsüblichen Vierkern-PCs) spielen, konnte Jonny relativ locker seine erste Partie gegen „Hector for chess“ gewinnen. Die Zeitkontrolle bei der Software-WM beträgt übrigens 45 Minuten + 15 Sekunden pro Zug, im Hauptturnier sind es 1:45h +15 Sekunden.“

Bericht zum 2. Tag:

„Der zweite Tag lief leider nicht gut. Gegen Fridolin hat Jonny überzeugend gewonnen, das war aber auch eingeplant. Gegen Rybka hatte er eine schlechte Buchvariante eigentlich schon ganz gut verteidigt (Rybka begann schon planlos hin und her zu ziehen), hat dann aber mit einem fürchterlichen Zug die Partie doch noch weggeschmissen. Ich vermute einen „Semi“-Bug, den wohl so ziemlich jedes Schachprogramm systembedingt drin hat, der aber nur im Clusterbetrieb unter sehr speziellen Umständen (nämlich dem in der Rybkapartie auftretenden planlosen „Shuffeln“) auch zu Auswirkungen führt. Eine einfache Lösung dafür sehe ich nicht, ohne mein ganzes Konzept über den Haufen zu werfen – ich muss jetzt einfach hoffen, dass so eine Situation bei der WM nicht nochmal auftritt. In den nächsten drei Partien wird sich wohl entscheiden, ob Jonny noch einmal zur Spitze aufschließen kann. Im Turnier mit gleicher Hardware hat Jonny dafür gegen Pandix ein solides Schwarzremis geschafft, was in Anbetracht von Pandix´starkem Auftreten im Hauptturnier (Remisen gegen Shredder, Rybka und Rondo!) durchaus als Erfolg einzustufen ist.“

Bericht zum 3. Tag:

„Die 5. Runde brachte ein ziemlich blutleeres Remis gegen den vielfachen Weltmeister Shredder. Einziger Aufreger war der Uebergang ins Turmendspiel, das Weiss aber trotz seines aktiven Turmes wohl nicht gewinnen kann, weil Schwarz die Stellung einfach abklammert. Bemerkenswert: Jonny hat genau einmal in der Partie einen von Null verschiedenen Wert angezeigt, nämlich 41. … h5 mit einem Score von -0.01. Im hardwarebeschränkten Turnier reichte es in der 3. Runde gegen Thinker mit Weiss nach einer spannenden Partie leider nur zu einem Remis, die 4. Runde hat Jonny gegen Fridolin in der schon aus dem Hauptturnier erprobten Russisch-Variante gewonnen. Mit den 3/4 hier bin ich aber recht zufrieden, die 2,5/5 im Hauptturnier dagegen sollten morgen gegen Junior und Thinker ausgebaut werden.“

Bericht zum 4. Tag:

„Der gestrige Tag brachte leider das Ende für meine Hoffnungen auf einen Medallienplatz. Zwar erringt Jonny am Vormittag seinen ersten WM-Sieg gegen Junior, der sich mit einem unmotivierten Bauernopfer selbst in Schwierigkeiten gebracht hatte, sieht sich am Nachmittag gegen Thinker nach 30(!) Zügen aus dem Buch aber mit einer völlig perspektivlosen Stellung konfrontiert, in der er nur auf den Tod warten kann. Der erste eigene Zug ist 31. a4, den Jonny schon mit einer Bewertung von knapp -1 ausspielte. Die Marschroute „kurz und solide“ hat mein Buchautor hier leider klar verfehlt! Solche Niederlagen tun besonders weh, weil die Engine überhaupt nichts dafür kann. Einen kleinen Erfolg gab es dafür im Blitzturnier, hier teilte sich Jonny mit 6,5/9 den zweiten Platz mit Shredder. Sieger wurde wie so oft und hochverdient Rybka mit 8/9. Herzlichen Glückwunsch an Vasik Rajlich und sein Team!“

Abschlussbericht:

„Im Hauptturnier hat Jonny wie erwartet die letzten beiden Runden gegen Hector und Darmenios gewonnen und lief mit 5.5/9 auf dem fünften Platz ein. Gewonnen hat wie erwartet einmal mehr Rybka, dessen Dominanz über die letzten Jahre hinweg wirklich beeindruckend ist. Im Turnier mit gleicher Hardware (WCSC) hat sich nach spannendem Verlauf Shredder durchgesetzt, Jonny hat hier hintenraus leider komplett versagt und ist mit 4/8 leider nur 6. geworden.

Insgesamt kann ich – vom Ergebnis her – mit der WM überhaupt nicht zufrieden sein, insbesondere im Hauptturnier ist es sehr unglücklich gelaufen. Der Bug gegen Rybka und die Buchniederlage gegen Thinker haben 1,0-1,5 Punkte gekostet, die dann letztlich auf den angestrebten Medaillenplatz fehlten. Trotzdem hat das Turnier sehr viel Spaß gemacht und die Organisation von Seiten der Japaner war vorbildlich.“